Studienfahrt Liverpool

Die Gesellschaft für europäische Bildungsprojekte e.V., GeB, hat vom 29. Oktober bis 05. November 2017 eine Studienfahrt nach Liverpool in England organisiert und durchgeführt. Die Fahrt diente dem fachlichen Austausch mit englischen Mitarbeitern der Schulsysteme. Ebenso wurde der Umgang mit kultureller Vielfalt in englischen Schulen unter den Fokus genommen, um daraufhin Handlungsoptionen für Hessische Europaschulen abzuleiten. Besucht wurden Hillside High School, Hugh Baird College, primary schools (TBC), Birkenhead Sixthform College, Range High School, Greenbank High School und die Hope University.

Der Teilnehmerkreis setzte sich aus Mitgliedern der GeB e.V. zusammensetzen, die sich als Multiplikatoren des Schulentwicklungsprogramms Hessische Europaschulen verstehen.

Zur Zeit der ersten Planungen war noch nicht absehbar, dass GB für den Brexit votieren würde; da die staatliche Integration gestoppt wurde, war es allen Beteiligten umso wichtiger, dass gesellschaftliche Kontakte aufrecht erhalten und wenn möglich vertieft werden.
Die Delegation wurde an allen Schulen ausgesprochen freundlich empfangen. Besonders erfreulich war, dass alle Beteiligten sich einen weiteren Kontakt wünschen.

Die GeB e.V. hat die Fahrt organisiert und finanziell großzügig unterstützt.

Lander Road Primary School

Die Lander Road Primary School im Einzugsgebiet der Docks von Bootle im Norden von Liverpool hat im Wesentlichen Schülerinnen und Schüler aus einer unterprivilegierten, weißen Arbeiterschicht. Die Schule nimmt die Kleinsten schon mit 2 Jahren auf und versucht die Kinder dann bis zum Ende der Primary School im Alter von 11 Jahren zu halten, um einen engen Kontakt mit den Eltern aufzubauen.

Atmosphäre, Ausstattung der Schule und Engagement des gesamten Personals machten einen ausgezeichneten Eindruck. Bei der Inspektion von Ofsted war die Schule 2013 von „outstanding“ auf „good“ abgefallen, wobei ein Bereich noch mit „outstanding“ beurteilt wurde.

 

Besonderheiten:
Schon im Eingangsbereich gibt es einen offenen Bereich, in dem PC-Arbeitsplätze zur Verfügung stehen. Selbst im Kindergarten der Zweijährigen ist der Gruppenraum für die 8 Kleinen mit einem Smartboard ausgestattet. Der Außenbereich hat viele Spielmöglichkeiten, einen kleinen „Secret Garden“, Bereiche mit Experimenten rund ums Wasser, samt Solarthermie und Klettergeräten.

Die Unterrichtsräume sind mit 30 Kindern pro Klasse gut gefüllt. Eine große Erleichterung sind aber die Unterstützungskräfte. In den Klassen waren 2-4 zusätzliche Kräfte, die Kinder mit besonderen Förderbedarfen unterstützen konnten. Als Unterstützungskräfte waren in einer Mathematikklasse auch zusätzlich 2 Studenten für das „höhere Lehramt“, die im ersten Studienjahr 2 Tage in Grundschulen hospitieren müssen.

Der Lehrplan in den höheren Klassen scheint gewisse Freiheiten zu lassen, jedenfalls wird nicht nur für die zentralen Leistungstests trainiert. Besonders stolz war die Schule darauf, dass viele Schüler Spanisch lernen und über ein Erasmus+-Projekt schon an einem Austausch mit einer spanischen Klasse teilnehmen. Dabei werden auch außerschulische Lernorte aufgesucht. Gemeinsam besuchen die Kinder zusammen mit spanischen Kindern einen Aquapark.

Bemerkenswert war ein Kurs „Philosophie“, bei dem sich die Kinder mit den Auswirkungen der von Trump geplanten Mauer zu Mexiko beschäftigten. Eine Wand war mit dem Thema und einer Ideensammlung auf Post-its gestaltet, auf einer anderen Wand waren schön gestaltete und sehr ordentlich geschriebene Briefe an Trump ausgestellt. Die Briefe sind auch an Trump abgeschickt worden.

Insgesamt erschien uns das Niveau, das wir in Mathematik und Englisch gezeigt bekamen auf einem hohen fachlichen Niveau. Hier wird offenbar systematisch auf die zentralen Tests in Mathematik und Englisch hingearbeitet.

Große Bedeutung haben Aspekte wie safegarding und attendence. Die Sicherheit und das Wohl eines Kindes spielen offenkundig in England eine große Rolle. Genaue Zugangskontrolle, gesicherte Türen, klare Kennzeichnung der Personen in einer Schule durch farbige Umhänger, das alles sind Bedingungen, die sich von den sehr offenen Schultüren in Deutschland deutlich unterscheiden. Auch die Anwesenheit der Schülerinnen und Schüler scheint ein hohes Gewicht bei den Inspektionen zu haben. In jedem Fall greifen deutliche Maßnahmen, wenn die Anwesenheitsrate unter 96%

The Sixth Form College Birkenhead

Das Sixth Form College Birkenhead liegt am anderen Ufer des Mersey auf einer Halbinsel namens „The Wirral“ gegenüber von Liverpool. Charakteristikum dieser Halbinsel ist die große soziale Kluft zwischen West- und Osthälfte. Die Schule selbst liegt in der sozial benachteiligten Osthälfte und konkurriert als exzellente weiterführende Schule mit einer hohen Anzahl von Gymnasien (grammar schools), die in der wohlhabenderen Westhälfte angesiedelt sind.

Das Sixth Form College Birkenhead ist eine von 94 reinen Oberstufenschulen, die es in Großbritannien gibt, und gilt als eines der besten britischen Colleges (80 % seiner Absolventen besuchen die Universität).

2016 wurde das Sixth Form College Birkenhead in den Bereichen Schulmanagement, Unterrichts- und Prüfungsqualität, Persönlichkeitsentwicklung der Schülerinnen und Schüler, Lernerfolge und Qualität des Programm- und Kursangebots (A-Levels und BTECs) von der Schulinspektionsbehörde Oftsted als „outstanding“ (herausragend) bewertet.

Seit August 2017 hat das Sixth Form College Birkenhead den Status einer Academy (Mitglied des Wirral Academy Trust).

1350 Schülerinnen und Schüler im Alter von 16-18 Jahren besuchen das College. Sie werden von 75 Lehrerinnen und Lehrern unterrichtet. Zusätzlich gibt es 87 Unterstützungskräfte (non-teaching staff), die in den Bereichen Pädagogik, Beratung, Verwaltung und Öffentlichkeitsarbeit tätig sind.

Das Programmangebot gliedert sich in zwei Bereiche (die auch kombinierbar sind): Die Schülerinnen und Schüler können einen A-Level- oder einen BTEC-Abschluss machen. Während die A-Level-Kurse vornehmlich akademisch ausgerichtet sind, zielen BTEC-Kurse mehr auf eine Berufsorientierung ab.

Um den Abschluss A-Level zu erreichen, können die Schülerinnen und Schüler aus einem umfassenden Kursangebot auswählen: z.B. aus den Bereichen Psychologie, englische Sprache und Literatur, Naturwissenschaften (Biologie, Chemie, Physik), aber auch Rechtswissenschaften, Wirtschaft, Mathematik, Kunst, Design, Soziologie, Informatik, Sport, Geographie, Geschichte, Politik, Religion, Medien- und Film sowie Tanz, Drama, Theater oder moderne Fremdsprachen (Französisch, Spanisch).

Das Kursangebot für den BTEC-Abschluss umfasst Rechtswissenschaften, Wirtschaft, Angewandte Wissenschaften, Informatik, Sport sowie Gesundheits- und Sozialwesen.

Die Schülerinnen und Schüler wählen jeweils drei Kursfächer bei sehr flexiblen Kombinationsmöglichkeiten und werden in diesen 15 Unterrichtseinheiten pro Woche unterrichtet. Jede Unterrichtseinheit dauert 90 min. Die restliche Arbeit erledigen die Schülerinnen und Schüler individuell und eigenverantwortlich in der Schule (Hausaufgaben, Selbststudium: independent study). Hierfür stehen entsprechende Schülerarbeitsplätze (Selbstlernzentren) zur Verfügung (Mediathek, Computerräume).

Die individuelle Förderung der Schülerinnen und Schüler wird durch ein umfangreiches Unterstützungsprogramm gewährleistet. Dieses umfasst die persönliche Betreuung durch Tutoren, ein akademisches Mentorenprogramm (in Zusammenarbeit mit Studierenden einer Liverpooler Universität), Zusatz- bzw. Kompensationsunterricht in Problemfächern, Lernberatung, Lernbegleitung für Schülerinnen und Schüler mit Lernbeeinträchtigungen (z.B. Dyslexie oder Autismus) sowie Kurse zum wissenschaftspropädeutischen Arbeiten (academic writing programme).

Ein besonderes Charakteristikum des Sixth Form College Birkenhead stellt das umfassende sechswöchige BePart-Programm dar, das jede Schülerinnen und jeder Schüler absolviert. Dieses umfasst Übungen und Techniken, die auf eine bewusste Gesundheits- und Achtsamkeitsschulung abzielen.

Das von dem Psychologen und Mitarbeiter Roy Owen eigens für das Sixth Form College Birkenhead entwickelte und wissenschaftlich vom Fachbereich Erziehungswissenschaften der Liverpool John Moores- University begleitete Programm basiert auf vier Werten, denen sich die Schule in besonderer Weise verschrieben hat: Positivity (positives Denken), Ambition (Leistungsbereitschaft), Resilience (Durchhaltevermögen) und Thoughtfulness (Achtsamkeit). Diese sind als Leitbild überall im Schulgebäude exponiert.

Northcote Primary School (Nursery and Primary School)

  • Homepage der Schule: www.northcoteschool.com
  • Adresse: Cavendish Drive, Walton, Liverpool, Merseyside, L9 1HW
  • Der Schulleiter heißt Mr. Morgan
  • 412 Schüler*innen
  • 76 Schüler*innen werden inclusiv gefördert

Die Northcote Primary liegt im Norden von Liverpool, ungefähr auf Höhe der Mündung des Merseys und der noch aktiven Docks.

Wir werden von Mr. Morgan sehr freundlich empfangen. Und zügig über einen Terminal mit Bildschirm und Kamera an der Rezeption mit einer selbstklebenden Besucherkarte mit unserem Foto versorgt.

Die Sicherheit wird auch an der Northcote großgeschrieben. Neu ist für uns eine Art „Sicherheitsschleuse“, ein Raum mit zwei Türen – die eine zur Rezeption hin, die andere in das Schulgebäude –, so dass aufgeregte Eltern hier empfangen werden können und diese nicht direkt durch die Glastür ins Gebäude gelangen können.

Entwicklung der Schule. Aus der ehemals  verrufenen Schule mit einem heruntergekommenen Schulgelände wurde durch großes Engagement des Schulleiters Mr. Morgan eine in der ganzen Umgebung anerkannte Schule.

Die Schüler und Schülerinnen können morgens bereits vor dem Unterricht in der Schule oder auf den Schulhof kommen, zum sogenannten Breakfast-Club.

In der Nursery spielen oder lernen die Kleinsten in kleinen Gruppen zusammen mit einer oder mehreren Betreuenden/Lehrer*innen. Da ein großer Anteil der Kinder mit nicht altersgemäß entwickelter Sprache  in die Nursery kommt, wird viel mit ihnen gesprochen und v.a. gesungen. Unterstützt wird die Arbeit mit Kinderärzt*innen, Psycholog*innen, Logopäd*innen und Physiotherapeut*innen die zur Förderung an die Schule kommen. Ein Kind kann bis zu 4x/Woche Sprachtraining erhalten. In seltenen Fällen findet dies auch vormittags außerhalb der Schule statt.

In den Klassenräumen der älteren arbeiten die Schülerinnen und Schüler überwiegend in Gruppen zusammen. Sie werden von zwei oder auch drei betreuenden Lehrkräften/Förderkräften unterstützt. Es herrscht eine ausgesprochen angenehme Unterrichts-Atmosphäre,  wertschätzend und produktiv. Die Arbeit findet u.a. in Projektthemen statt. Thema war hier Evolution/Darwin, das unter dem Blickpunkt der verschiedenen Fächer und jahrgangsübergreifend behandelt wird. Die Flurwände sind dekoriert mit bereits abgeschlossenen Arbeiten der Schüler*innen.

Bereits in der Primary taucht im Mathematikunterricht das Thema „Brüche“ auf. In der zweiten Klasse lernen die Schüler*innen die Begriffe „ein Viertel von…“ in der 4. Klasse dann die Zahlenschreibweise „1/4“, so dass einzelne Themen wiederholt und dann immer wieder vertieft werden.

In jedem Unterrichtsraum gibt es Strukturierungshilfen für den Unterricht (für Schüler*innen „WALT/WILF“ und Lehrer*innen (!) „C.A.R.E.“), die helfen den Schüler*innen die Stunden transparent  zu machen. Dies findet sich auch  in den Schulheften der Schüler*innen wieder, in denen sich regelmäßig Erfolgskriterien und Checklisten (WILF)als Hilfe zum selbstständigen Arbeiten und zur Reflexion finden.

Die Lehrkräfte an der Schule sind hoch engagiert. Sie haben freiwillig eine Kooperationsstunde initiiert (freitags), in der sie den Unterricht reflektieren und den der nächsten Woche vorbereiten. Ein jüngerer Lehrer sagt uns, dass sie sich dadurch viel Arbeit ersparen und erleichtern.

An der Schule gibt es eine Inklusionsfachkraft (Förderschullehrerin), die alle Inklusionsmaßnahmen koordiniert. Für die Förderpläne tragen alle Beteiligten ihre Beobachtungen und Ideen zusammen, doch sie erledigt alle formalen Arbeiten und bringt die Personen des Helfersystems (Logopäd*innen, Sozialpädagog*innen,…) zusammen.  

Das Klima der Schule wird durch den Schulleiter Mr. Morgan entscheidend geprägt. Im Gebäude bewegt er sich stets engagiert und gnadenlos wertschätzend. Er hat für nahezu jede/n Kolleg*in als auch für die Schüler*innen ein wertschätzendes Wort oder ein Kompliment parat. Er schafft es, seine Wertschätzung (und dieses Wort ist hier keine Phrase) im Schulalltag sichtbar und hörbar zu machen, so dass sie über die Organisation, Unterricht und Lehrer*innen bis hin zu den Schüler*innen spürbar ist.  Und sogar bis zu schwierigen Menschen aus der Nachbarschaft der Schule…